Fünf Höfe für die Zehnergasse
Im Zeichen von "Fünf Höfe für die Zehnergasse" hat die Architektin Gabu Heindl das Bundesgymnasium Zehnergasse in Wr. Neustadt um zwei Anbauten erweitert. Damit ergeben sich fünf unterschiedlich programmierte und gestaltete Schulhöfe. Die neuen Unterrichts- und Bewegungsräume ermöglichen ein Lernen in großen und kleinen Räumen, draußen wie drinnen; die Umbaumaßnahmen im Bestand zeitgemäße Arbeitsräume für Lehrer und Lehrerinnen. Der neue Sporttrakt wurde von Bund und Land kofinanziert und wird mit der benachbarten Landesberufsschule geteilt; weitere Synergien zwischen den Schulen und mit der Stadt sind am Entstehen. Die aus einem BIG-Wettbewerbsgewinn hervorgegangene Erweiterung wurde im Juni 2014 eröffnet.
Schule: ein Ort der Öffentlichkeit
Dass Monolog-Unterricht unzureichend ist, ist heute Mainstream; allein: Die Schulgebäude haben sich nicht (mit-)geändert. Es braucht aber gerade im Schulbau Mut zur Änderung. Das 60 m²-Klassenzimmer wurde über Jahrzehnte für Monolog-Unterricht mit 20–30 SchülerInnen optimiert. Und doch: Auch dieses Klassenzimmer war einmal Experiment, wurden doch davor Kinder unterschiedlichen Alters in gemeinsamen Räumen unterrichtet und hatten auch räumlich die Möglichkeit, einander zu helfen und voneinander zu lernen.
Die Räume der Schule werden immer mehr zu "Wohnräumen" oder Aufenthaltsräumen des Lebens unter der Woche. Ein Schulbau kann sich daher nicht mit aneinandergereihten Klassenzimmern entlang von Gängen begnügen, sondern braucht Wohnzimmer, Balkone, Terrassen, kleine oder sehr große Zimmer – Schule in Bewegung sowie Platz genug für Bewegung.
Denn mit (und ohne) digitale(n) Medien, vor allem in Kleingruppen, lässt sich heute überall lernen, vielleicht sogar überall besser als im Unterrichtsraum. Aula, Gangnischen, Fenstererker, (Dach-)Terrassen oder Höfe bieten dafür die nötigen Zwischenräume. Im besten Fall kann ein guter Schulbau mögliche zukünftige Schulkonzepte räumlich umsetzen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen.
Schulräume sind aber auch ideologische Räume. Verfolgbar ist das anhand der Debatte zur Ganztagsschule; noch mehr, wenn es um Umstellung auf Gesamtschulen – im Sinn gleicher Chancen für alle Kinder – geht. Es liegt aber nun mal in der Verantwortung der Öffentlichkeit, jedem Kind zum gleichen Recht auf Bildung zu verhelfen. Außerdem: Schüler und Schülerinnen haben ein Recht auf Konsumfreiheit und werbefreie Schule. Und nicht zuletzt: Pausenräume sind mindestens so wichtig wie Schulräume.
G.H.
Gabu Heindl, Studium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Geidai University in Tokyo und Postgraduate/Architecture and Urban Design (Fulbright-Stipendium) an der Princeton University, USA. Leitet das Büro GABU Heindl Architektur | Stadtplanung+ in Wien seit 2004, mit Schwerpunkt auf öffentlichen Kultur- und Sozialbauten, Stadtplanung sowie Forschungen und Studien zu öffentlichem Raum, Architektur und Alltag, Veränderung von Lern- und Arbeitswelt. Publikationen in Büchern und Fachmagazinen. Herausgeberin u.a. von Arbeit Zeit Raum. Bilder und Bauten der Arbeit im Postfordismus. In der Lehre tätig seit 2001–03 an der TU Delft, 2004–07 Universitätsassistenz an der TU Graz, 2007–09 wissenschaftliche Assistenz an der Akademie der bildenden Künste Wien. Seit 2013 Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Architektur. 2014–2015 Lehraufträge an der TU Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien und der Kunstakademie Düsseldorf.
Realisierte Projekte (Auswahl): brut: Theaterfoyer und Bar brut in Wien (2007), filmmuseum inside/out: Filmbar, Fassade und Foyer des Österreichischen Filmmuseums in Wien (2008), Kinder im Garten: Umbau/Erweiterung Kindergarten Rohrendorf, Niederösterreich (2008), Der Bau: Unter Uns: Dekonstruktion der Brückenkopfgebäude in Linz (2009), Draußen im Gefängnis: Kunst am Bau in Krems, Niederösterreich (2011), Stadt im Kino: Stadtkino im Künstlerhaus in Wien (2013), Fünf Höfe für die Zehnergasse: Erweiterung BG Zehnergasse in Wr. Neustadt, Niederösterreich (2013), Donaukanal Partitur: Gestaltungs- und Entwicklungsleitbild Donaukanal in Wien (2014).
Aktuelle Projekte (Auswahl): Stadtforschungsprojekt zu Spielräumen in der Stadt, Graz, Skulptur/Festwochenzentrum, Künstlerhaus Wien, "Die 70er", Gestaltung der Schallaburg, Ausstellung 2016, Niederösterreich, Ausstellungsgestaltung "Wien. Die Perle des Reiches", AzW, zur Regional-, Raum- und Stadtplanung im nationalsozialistischen Wien.
Auszeichnungen (Auswahl): JAE Best Design Article Award (2005/2006), Schönste Bücher Österreichs, Auszeichnung (2008), YOVA 3 – Young Viennese Architects (2010), "40 under 40 – Europe’s emerging young architects and designers" (2010), Architekturpreis des Landes Niederösterreich, Anerkennung (2010), ZV-Bauherrenpreis, Anerkennung (2014), NÖ Bau-Preis (2014), Vorbildliches Bauen (2014).
Weiterführende Links:
www.gabuheindl.at