Architektonische Qualität
Das Illwerke Zentrum Montafon (IZM) in Rodund ist das neue Verwaltungsgebäude des Vorarlberger Stromerzeugers und ein Holzbau der Superlative: Er war bei seiner Fertigstellung mit über 10.000 m² Nutzfläche das größte Bürogebäude aus Holz in Mitteleuropa. Die Holzkonstruktion über dem Betonsockel wurde in lediglich sechs Wochen zusammengefügt und bildet die erste Anwendung des Lifecycle Tower (LCT) auf dem freien Markt, das mit einer Holz-Beton-Verbunddecke einen Holzbau auch jenseits der Hochhausgrenze ermöglicht. Der Entwurf ist auf die Stärken der modularen Bauweise und die Kapazitäten der lokalen Handwerksbetriebe ausgerichtet, die Möglichkeiten des Hybridbaus sollten voll ausgeschöpft werden: Die Stärken des Holzbaus werden mit denjenigen des Massivbaus kombiniert.
Eine Besonderheit des Systems ist, dass das Holz nicht nur trägt, sondern auch sichtbar bleibt. Denn das Material verschwindet nicht wie sonst üblich hinter Gipswänden – es bildet einen Teil des Innenausbaus. Damit lassen sich Bauten im industriellen Maßstab mit der gleichen Sorgfalt und Wohnlichkeit herstellen wie die kleinen Preziosen, für die Vorarlberg sonst berühmt ist.
Städtebau, Standort, Infrastrukturanbindung
Die Form des IZM ist durch zwei Vorgaben definiert: die statische Struktur des Bausystems mit den vorgefertigten Rippendecken und die Absicht, für alle 270 Arbeitsplätze vergleichbare Bedingungen zu schaffen. Damit war die Tiefe des Hauses begrenzt, und in der Folge wuchs die Länge des Gebäudes auf 120 Meter an. Zudem war durch die Bauweise auch die Form definiert, denn die vorgefertigten Platten spielen ihre Vorteile am besten in einem kubischen Volumen aus. Der klar geschnittene Holzbau ließ sich daher nur auf dem Perimeter unterbringen, indem er über den Rand des Ausgleichsbeckens hinaus auf die Wasserfläche geschoben wurde.
In dieser Position weist das Gebäude eine klare Trennung in zwei Seiten auf. Gegen Osten empfängt das Haus seine Besucher mit einer einladenden Geste: Das großzügig bemessene Vordach markiert den Eingang, und ein Park schafft genügend Raum, um das Haus in seinen vollen Ausmaßen zu präsentieren. Die Fassade gliedert sich in Schichten aus Brüstungen, Fensterbändern und Vordächern. Die Länge wird zum Leitmotiv des Hauses.
Nachhaltigkeit
Der Primärenergieverbrauch liegt unter 30 kWh/m²/Jahr, der Passivhausstandard gewährleistet einen Heizwärmebedarf von 14 kWh/m²/Jahr. Dieser wird vollständig durch das Abwärmesystem des Rodundwerkes gedeckt; über ein Wärmepumpensystem auch der Kühlbedarf.
In der Betrachtung über den Lebenszyklus hinweg bildet der Holzbau für eine umweltschonende Bauweise die Konstruktion der Wahl. Doch das Bauen mit Holz fordert von den Planern viel Wissen über Material und Konstruktionen, von den Herstellern ein hohes Maß an handwerklichem Können. Da dieses Wissen häufig nur regional verfügbar ist, verhindern diese Faktoren, dass sich das Baumaterial weit verbreitet. Diese Einschränkungen aufzuheben und dem Holzbau den Weg zu bereiten ist erklärtes Ziel des LCT-Bausystems.
Soziale Qualität
Mit dem neuen Zentrum haben die Illwerke ein Bekenntnis für die Region abgelegt, denn sie bieten jungen Leuten eine Perspektive im Tal und tragen dazu bei, dass diese nicht in die Städte abwandern. Um die Belegschaft von einem Neubau zu überzeugen, war diese mit einer Delegation von Beginn an in die Planung involviert. Das Bürokonzept wurde im Rahmen von Interviews und Workshops optimiert.
Der hohe baukulturelle Anspruch schloss auch fünf Arbeiten für die Kunst am Bau für dieses Projekt mit ein. Dank dem Besucherzentrum im Erdgeschoß ist das neue Illwerke Zentrum auch für die Öffentlichkeit zugänglich.
H.K.
Hermann Kaufmann, geb. 1955 in Reuthe, Vorarlberg. Studium der Architektur an der TU Innsbruck (1975–1978) und an der TU Wien (1978–1982). Mitarbeit bei Prof. Ernst Hiesmayr in Wien. Gründung von Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH im Jahre 1983. Gastdozent an der Liechtensteinischen Ingenieurschule, an der Technischen Universität Graz und der Universität Ljubljana. Seit 2002 Professor an der TU München, Fachgebiet Holzbau.
Realisierte Projekte (Auswahl): Gasthaus Adler in Schwarzenberg, Vorarlberg (1991), Gemeindezentrum Ludesch, Vorarlberg (2005), Mühlweg in Wien (2006), Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen, Tirol (2007), Holzbau Sohm, Erweiterung Bürogebäude und Halle in Alberschwende, Vorarlberg (2009), Sutterlüty Hohenems, Vorarlberg (2010), Neue Heimat Jenbach 1+2, Tirol (2010), Raiffeisenbank Egg, Vorarlberg (2010), Büro-, Geschäfts- und Wohnhaus am Garnmarkt Götzis, Vorarlberg (2011), LCT ONE in Dornbirn, Vorarlberg (2012), NH Rum, Tirol (2013), IZM – Illwerke Zentrum Montafon in Vandans, Vorarlberg (2013), IWL Landsberg, Behindertenwerkstätte in Landsberg am Lech, Deutschland (2013), Kindergarten Rum-Steinbockallee in Rum, Tirol (2013), Pfarrhaus in Krumbach, Vorarlberg (2013), Sicherheitszentrum in Bezau, Vorarlberg (2014), Wohn- und Geschäftshaus Vogewosi in Warth, Vorarlberg (2014), Neues Wohnen Krumbach, Vorarlberg (2014).
Aktuelle Projekte (Auswahl): Sutterlüty Rankweil, Vorarlberg, Wagnertec in Nüziders, Vorarlberg, Hotel Engel in Mellau, Vorarlberg, Gymnasium Diedorf in Augsburg, Deutschland, Wohnbau und Altenwohnheim "Heimat Österreich" in Liefering, Salzburg, Herberge und Riegelbau in St. Gerold, Vorarlberg, NH Absam, Tirol.
Auszeichnungen (Auswahl): Staatspreis für Gewerbe- und Industriebau (1995), Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit (2006), Global Award for Sustainable Architecture (2007), best architects, Auszeichnung (2008), Staatspreis Architektur – Industrie und Gewerbe, Auszeichnung (2010), Schweighofer Prize (2011), International Prize for Sustainable Architecture, 1. Platz (2011), klima:aktiv, 1. Platz (2012), Constructive Alps – Commendation Award (2013), Balthasar-Neumann-Preis, Auszeichnung (2014), KYOCERA-Umweltpreis für nachhaltige Projekte und Technologien (2014).