Einige wenige als bipolare Dimensionen darstellbare Prinzipien wurden seitens des Pädagogenteams im Rahmen der Wettbewerbsauslobung als Wunsch an die neuen Lernräume formuliert:
Arbeit und Entspannung: Hier, an dem Ort, wo gelehrt und gelernt wird, sollen sich die Menschen wohl fühlen, entspannen, miteinander kommunizieren, mit den eigenen Potenzialen experimentieren. Aktivität und Reflexion: Die Aspekte der Aktivierung – aber auch Entspannung – sollen in der materiellen Umwelt als "Möglichkeitsräume" präsent sein. Gestaltete und gestaltbare Umwelt: Einladung zur Mitgestaltung und Zuweisung der Verantwortlichkeit sollen im Schulgebäude repräsentiert sein. Zugehörigkeit und Weltoffenheit: In der sozialen Gemeinschaft der Schule soll das Gefühl der Zugehörigkeit ermöglicht werden; gleichzeitig erfordert lebensnahes Lernen auch Offenheit der Schule und des Lernens hin zur Umwelt.
Vielfalt des Lernens: Unterschiedliche Lernformen sollen sich sinnvoll ergänzen. Selbsttätigkeit und angeleitetes Tun, Gruppenarbeit und individuelles Lernen, offener Unterricht und Phasen der Übung und Festigung, Arbeit in homogenen Gruppen (Differenzierung) und in der Gesamtklasse (Heterogenität).
Das neue pädagogische Konzept und gleichberechtigte Lernformen verlangen ein hohes Maß an Flexibilität in der Architektur. Den Kindern wird ein differenziertes Raumerlebnis geboten, ein Lebensraum, den sie sich individuell aneignen, in dem sie sich die "Zwischenräume" nutzbar machen.
Umgesetzt sind diese Lehr- und Lernprinzipien in einem architektonischen Konzept mit offenen Strukturen im Sinne eines Clusters mit Homebases ("Klassenzimmer") für Kinder und Lehrende sowie mit flexiblen Lerninseln, einer Freiklasse und weiteren Außenbereichen.
Jeweils vier SchülerInnen‐Homebases und ein offener Lernraum ("Lerninsel") bilden zusammen einen Raumverbund. Dabei können die Homebases der Lerninsel räumlich zugeschaltet werden oder bewusst für den Rückzug genutzt werden. Die Abgrenzungen durch Flure entfallen, es entsteht ein fließendes Raumgefüge.
Von innen nach außen ist das Gebäude als Teil eines Ensembles mit dem ehemaligen Sanatorium – heutiger Kindergarten – und einer neu errichteten Kinderkrippe verortet. Der neue Baukörper fügt sich in Höhe, Gliederung, Proportion und Maßstäblichkeit harmonisch in die Parklandschaft ein.
Er nimmt direkten Bezug auf die Gegebenheiten des Grundstücks – dies sind die Rücksicht auf den schützenswerten Baumbestand, die Einbindung in das geneigte Gelände und die angrenzende Weg- und Straßenführung.
Jedes der drei Geschoße ist direkt mit funktional zugeordneten Freibereichen verbunden. Den Homebases sind geschützte Außenbereiche in Form von tiefen Terrassen vorgelagert, welche gleichzeitig die Funktion des konstruktiven Sonnenschutzes erfüllen. Die Sitzstufen des gedeckten Freibereiches und der Freiklasse bilden den Übergang zum Außenspielbereich.
Das äußere Erscheinungsbild der Volksschule Maria Grün ist geprägt durch ein Kleid aus unbehandelten sägerauhen Lärchenholzlamellen, das sich wie ein Filter über die thermische Gebäudehülle stülpt und – abhängig vom Blickwinkel – unterschiedliche Ein- und Ausblicke ermöglicht. Die Volksschule Maria Grün ist passivhauszertifiziert und für den Einsatz von ökologischen Baumaterialien ausgezeichnet. Das tatsächliche Nutzerverhalten ist Gegenstand wissenschaftlicher Studien.
P.B.
Philipp Berktold, geb. 1977 in Dornbirn, Vorarlberg. Architekturstudium an der TU Innsbruck, der Universidad de Sevilla, Spanien sowie an der University of Texas at Arlington, USA. 2005–2008 Mitarbeit im Architekturbüro Christian Lenz, Schwarzach. 2008 Gründung des eigenen Architekturbüros Philipp Berktold Architekt ZT GmbH in Dornbirn. 2009 Vortragsreihe an der TU Innsbruck. 2010–2012 Lehrtätigkeit an der TU Innsbruck. Projektbezogene Büropartnerschaften mit Susanne Bertsch, Christoph Kalb, Helena Weber, Verena Mutschlechner.
Realisierte Projekte (Auswahl): Haus am Tugstein in Dornbirn, Vorarlberg (2006), Mehrfamilienhaus Schöch, mit S. Bertsch, in Göfis, Vorarlberg (2010), Atelier- und Badehaus Thurnher in Dornbirn, Vorarlberg (2010), Einfamilienhaus Bertsch in Frastanz, Vorarlberg (2011), Passivhauswohnanlage Hintere Achmühle, mit C. Kalb und T. Prattes, in Dornbirn, Vorarlberg (2012), Kindergarten Rheindorf, mit S. Bertsch, in Lustenau, Vorarlberg (2013), Sanierung/Erweiterung Vereinshaus Dornbirn, mit C. Kalb, in Dornbirn, Vorarlberg (2014), Volksschule Maria Grün mit C. Kalb und S. Bertsch in Graz, Steiermark (2014).
Aktuelle Projekte (Auswahl): Wohnanlage Weingarten, mit H. Weber, in Lauterach, Vorarlberg (2015), Einfamilienhaus Stenz in Aargau, Schweiz (2015), Fassadenstudien Bankgebäude BTV in Memmingen, Deutschland (2015).
Auszeichnungen (Auswahl): Vorarlberger Holzbaupreis, Auszeichnung (2007), Das beste Haus, Nominierung (2007), Hauptpreis Tourismus – Innovationen (2009), Vorarlberger Holzbaupreis 2013, Preisträger (2013), Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit, Nominierung (2015).