Samstag, 24. Februar | 18:30

Unfinished


„Ein panikinduziertes Grau in der Eklipse, ein Theatergrau eines Sturmes an der atlantischen Küste, ein lyrisches Grau eines Bergsees, die immersiven Grautöne eines Schneesturms, ein beschwörendes Grau des literarischen Rausches, die exemplarische Reihe berührenden Grautöne abzuschreiten macht aus dem Betrachtenden ein subjektives und seinem eigenen Verdacht ein objektives Bewusstsein”, meint Peter Sloterdijk in seinem Buch Wer noch kein Grau gedacht hat. Eine Farbenlehre.
Es ist also eben nicht immer nur ein Kompromiss zwischen Schwarz und Weiß oder eine prätentiös verhaltene Lackierung von Oberflächen. Das Grau, das Farbwerte trägt, stellt Architekten sinnbildlich immer wieder vor eine anspruchsvolle Aufgabe. Solange sie sie nicht gelöst haben, sind sie keine Meister ihres Metiers.
Doch genau dann, von der editorischen Sammeltätigkeit ermattet, begreift der Architekt in einem Moment der Ernüchterung, dass sich aus dem Nebeneinander vielfältiger Erleuchtungsaussagen keine haltbaren Einsichten ergeben.
Die beiden Projekte „Gemeindezentrum Lech” und „Vorarlberger Landesversicherung”, die äußerlich nicht unterschiedlicher sein könnten, eint die inhaltliche Herangehensweise, die inhaltliche Auseinandersetzung sowohl mit Bauherren als auch mit uns selbst. Der Prozess und die adäquate Hinterfragung der Unternehmenskultur, des Vertrauens und der Verantwortung fügen hier Episoden der Kontingenz zusammen.
Die angeeigneten Fertigkeiten kreuzen das eigene unfertigen Denken und das der anderen. Die Selbstlosigkeit wird dabei durch die Selbstsorge abgelöst, verschiedene Wirklichkeiten lassen uns verschiedene Fakten zur Komplexität der Architektur einüben. Dabei outet sich Kontinuität sowie Kontext als brüchiger Deich in der Flut der Gedanken als größte Gefahr der Varianz, der Diversität. Jede Veränderung wird als Bedrohung wahrgenommen.
Nutzung, Materialität und die Fertigkeiten der Beteiligten sind bei beiden Projekten das „unfinished thinking”. Architektur wird hier als Prozess wahrgenommen, zu Überwindung von Kontinuität und Gewinnung unhaltbarer Einsichten – darüber wollen wir berichten.
C.M.

Christian Matt, geb. 1961 in Bregenz, Vorarlberg. Studium der Architektur an der TU Wien. 1993 Diplom bei Prof. DI Helmut Richter. Mitarbeit bei Arch. DI Helmut Christen und Arch. DI Otto Häuslmayr (1993). Projektleiter bei Jean Nouvel in Paris (1995). Projektpartnerschaft mit Ateliers Jean Nouvel/Paris (1997–2000). Seit 2000 gemeinsames Büro mit Markus Dorner in Bregenz, Vorarlberg.