Die Wohnhausanlagen an der Gerasdorfer Straße und auf den Mautner Markhof Gründen in Wien sind Beispiele für eine Architektur, die Lösungen für soziale und ästhetische Herausforderungen im Kontext ständiger gesellschaftlicher Veränderungen anbieten will. Konkret bedeutet dies, im geförderten Wohnungsbau mit immer – wörtlich zu nehmen – enger werdenden Rahmenbedingungen umzugehen. Ebenso ist klar, dass Wohnungen immer weniger ein traditionelles Regelwerk in der Beziehung zwischen den Menschen abbilden. Daher war und ist es für mich wichtig, dass Wohnungen lebendige Orte der Veränderung, des Wohlfühlens wie auch des Nachdenkens über Wohngewohnheiten sind.
Solche Veränderungen bedeuten in der Architektur die Strukturen zu verändern, sie variabel zu machen, sie auf den Topos und die Notwendigkeiten abzustimmen. Nahe der Gerasdorfer Straße war eine Hausanlage zu entwerfen; auf den Mautner Markhof Gründen wurden Geschoßwohnungsbauten realisiert.
Das langgestreckte "Rückgrat" der gestapelten Häuser im Norden von Wien als Mittelzone für die "dienenden" Funktionen der Häuser war die Voraussetzung dafür, dass die strukturelle Variabilität nutzungsneutraler Flächen über mehrere Etagen hinweg freigespielt werden konnte. Auf den Mautner Markhof Gründen ist es der neutrale Raum, der Platz für unterschiedliche Organisationsstrukturen des Wohnens bietet. Ihnen gemeinsam ist die Mehrfachnutzung von Räumen, das Zusammenschließen von getrennten Einheiten oder das Öffnen zu größeren räumlichen Dimensionen. Ebenso ausschlaggebend wie die punktgenaue Minimierung der Primärkonstruktion ist es, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren:
Wohnen bedeutet Erlebnis – von der städtebaulichen Konzeption über die Interaktion von Innen- und Außenraum bis zu jenen Veränderungen, die von den Bewohnern selbst ausgehen und sie wieder zu Entscheidungsträgern in den eigenen vier oder mehr Wänden machen. Die Aufgabe einer Architektur, die als Paravent für den Alltag zu verstehen ist, und jene des Architekten ist es, die optimalen Rahmenbedingungen für dieses Erleben zu konstituieren.
R.L.
Rüdiger Lainer, geb. 1949 in Kaprun, Salzburg. 1971–1978 Studium der Architektur an der TU Wien. Mitarbeit bei Karl Schwanzer. 1985 Gründung des Architekturbüros Rüdiger Lainer. Seit 2005 Rüdiger Lainer + Partner. 1997–2006 Professor für Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Seit 2006 Vorsitzender des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung in Wien, ab 2012 auch in Graz.
Realisierte Projekte (Auswahl): Kinocenter "Cineplexxcity" in Salzburg (1999), Pleasuredome, Entertainmentcenter Gasometer in Wien (2001), Veranstaltungsgebäude Kaiserbahnhof in Laxenburg, Niederösterreich (2001), Betriebsgebäude Wittmann in Etsdorf/Kamp, Niederösterreich (2002), Büro- und Fitnesscenter Hütteldorfer Straße 130 (2003), Wohnhausanlage Cobenzlgasse (2004), Wohn- und Bürohaus Boltzmanngasse (2004), Kunstplatz Karlsplatz (2006), Revitalisierung Favoritenstraße 27 (2006), Wohnhausanlage Taubstummengasse (2007), Wohnhausanlage Virchowstraße (2007), Wohnhausanlage Leystraße (2008), Dachausbau Nibelungengasse (2008), Haus mit Veranden (2008), Wohnhausanlage Kagraner Spange (2011), Wohn- und Pflegehaus IWP Döbling (2012), Wohnhausanlage Raxstraße (2013), Wohnhausanlage Gerasdorfer Straße (2013), Revitalisierung Schottenring 19 (2015), Wohnhausanlage Mautner Markhof Gründe (2015), alle in Wien.
Aktuelle Projekte (Auswahl): Holzhochhaus HoHo, Büro- und Wohnhaus QBC6, MGC Plaza, Wohnhausanlage Sonnwendviertel alle in Wien.
Auszeichnungen (Auswahl): Staatspreis für "Experimentelle Tendenzen in der Architektur" (1989), Großer Österreichischer Wohnbaupreis (1990), Wiener Stadterneuerungspreis (1991), Preis der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (1991), Architekturtage Piran, Anerkennungspreis (1995), Preis der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (1995), American Institute of Architects / European Chapter Excellence in Design Award (1995), Architekturpreis der Österreichischen Zementindustrie (1997), Preis der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (2001), Wiener Stadterneuerungspreis (2004), Preis der Stadt Wien (2004), Preis der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (2006), Vorbildliches Bauen in Niederösterreich (2008), best 10 architects, Gold (2009), 20+10+X World Architecture Community Award 7th Cycle (2010), Green GOOD DESIGN Award (2010), best 13 architects (2012), Green Building Award of the European Commission for "Schottenring 19" (2014), klima:aktiv, Gold Standard für Wohnhausanlage Raxstraße (2014).
Weiterführende Links:
www.lainer.at