Bauen als Abenteuer und Lust zwischen Hausforschung und Experiment
Im Rückblich auf die Hausentwicklung im ländlichen Raum und auf Basis der Erkenntnisse aus der Hausforschung ist der Umgang mit einer historischen Substanz – Kernhaus 1646 erbaut, mehrere Umbauten und letzte Adaptierung der Stall-Scheune-Situation ca. 1870 – einfach und vielfältig zugleich.
Das Objekt, bestehend aus Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem Dach, war nach dem Kauf in zwei Wohneinheiten zu trennen. Die Vorgaben aus der Typologie, vergleichbar mit jedem bäuerlichen Anwesen im Bregenzerwald und anderen Regionen im Alpenraum, bildeten den Ausgangspunkt für die Interventionen. Das kleine Grundstück im dichten Ortszentrum mit Grenzbestand an zwei Außenwänden war neben bauphysikalischen Überlegungen entscheidender Parameter für die Entwurfsideen.
Für die Scheune waren die Bauform, die Raumfolge und die Funktionsverteilung abseits klassischer Wirtschaftstrakt-Ausbauten prototypisch neu zu erarbeiten. Denkmalschutzvorgaben durch den vorhandenen Ortsbildschutz und ein länger anhaltender Abstimmungsprozess begleiteten die Entwicklung zur endgültigen Lösung. Die kühne Statik der bestehenden Holzkonstruktion musste erhalten bleiben. Die Intervention oder Implantierung der fremdartigen Wohnnutzung durfte diesem und einigen anderen "Tricks" unserer Vorfahren im Umgang mit unvorteilhaften Randbedingungen wie Hangwasser usw. nicht nachstehen.
Der Stall-Scheune-Trakt hatte bereits aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus enge und weite Räume, funktionsbesetzte Teilbereiche und nutzlose Resträume. Der Stall war kaum mannshoch, die Tenne dagegen war ein riesiges Volumen, das bis unters Dach in einer unvergleichbaren Leichtigkeit hochgezimmert war. Die Bergeräume und Heukammern für die Heulagen waren je nach Grasschnitt unterschiedlich separiert. Diese Eigenheiten inspirierten von Anfang an. Die Raumvorstellungen zu Beginn des Entwerfens setzten dort fort, wo Räume, Raumfolgen, Nutzungsweisen und vieles mehr schon festgelegt waren. Das jetzt erleb- und bewohnbare Kontinuum von offenen Räumen und Funktionen sucht die Analogie zur ursprünglichen Konstruktion oder zumindest eine fiktive Ebenbürtigkeit.
Grundriss- und Schnittgeometrie sind letztlich das Ergebnis aus sich überlagernden Zwängen aus dem Bestand und selbstauferlegten Herausforderungen. Die Holzkonstruktion musste als Hülle statisch weiterhin intakt bleiben und bildete den "Wetterschutzschirm" für bautechnische Experimente und eine Neuauflage historischer Konstruktionstechniken. Das Bauen in und mit der Scheune, die Suche nach Sonderlösungen für Bedürfnisse von heute entwickelte sich zu einem langwierigen, teilweise abenteuerlichen Prozess. Das "Haus im Haus" war die einzige Möglichkeit, der Scheune ihren Charakter zu belassen und sie gleichzeitig bewohn- und erlebbar zu machen. Die Präsenz der Zeit- und Materialschichtungen bildet mittlerweile den Hintergrund für ein fortdauerndes Wohnerlebnis.
T.M.
Thomas Mennel, geb. 1971 in Lingenau, Vorarlberg. Studium der Architektur an der TU Wien. Während des Studiums in den Jahren 1991–1998 Mitarbeit im Büro Hermann Kaufmann. 2000–2009 Mitarbeit im Büro fasch&fuchs. in Wien, unter anderem als Projektleiter beim Kindermuseum in Graz. Parallel dazu kleinere Bauten gemeinsam mit Reinhard Muxel, Projekte für Kulturinitiativen und Designobjekte in Zusammenarbeit mit Handwerkern. Seit 2009 Fassadenplaner im Büro gbd Projects (für unterschiedliche Architekten). Seit 2012 Geschäftsführer von gbd Projects ZT GesmbH und weiterhin tätig als Architekt und Designer in unterschiedlichen Kooperationen.
Weiterführende Links:
www.gbd.at
www.memux.com