Vorträge nonstop im RadioKulturhaus Wien. Samstag, 4. März 2006. 13.00 bis 22.00 Uhr.
"Turn On Partner"    Freitag, 3. März 2006. 15.30 bis 18.00 Uhr.
Kirche in Gallspach
 
In Gallspach, einem Markt mit 2800 Einwohnern, wird die Kirche neu gebaut. Es ist ungewöhnlich, eine historische Kirche (eigene Pfarre seit 1344) abzubrechen und im dörflichen Umfeld nicht nur einen spirituellen Ort, sondern schlicht seine "Mitte" neu zu definieren. Die alte Substanz, in den Grundmauern aus dem Mittelalter stammend, bestand nach zahlreichen Umbauten zuletzt in einer Einwölbung mit flachem Stuck aus dem späten 19. Jahrhundert, war beengt und darüber hinaus auf einer steilen Anhöhe dem Ortsraum entrückt. Turm und Apsis waren ohnehin zu erhalten.

Die neue Kirche liegt deutlich tiefer als die alte, und sie liegt jetzt niveaugleich mit dem umgebenden Häusern. Bei der ungewöhnlichen Topografie gibt es kein typologisches oder stilistisches Vorbild. Es ist der Ort, der dem Neuen das "Wesentliche" abverlangt … den Weg, den Raum, seine Mitte …

Ein ringförmiger Baukörper umschließt den gesamten Kirchhügel. Er ist aus strahlenförmig angeordneten Lärchholzrahmen aufgebaut und auf einen massiven Sockel gesetzt. Der steilen Hanglage folgend durchdringt der neue Baukörper die Apsis der alten Kirche und den Turm und bildet dabei einen stillen Innenhof. Auf der tiefen Ebene erweitert sich der Kirchenraum zur Mitte hin aus der umschließenden Kontur der Holzkonstruktion, dringt in den Hang ein und geht in die hoch aufragende Kapelle über. Ihr oberer Teil steht frei als Solitär im Zentrum des Innenhofes.

Der Kirchenraum und die Kapelle werden mit transluzenten Schiebeelementen geteilt und doch auch zusammengefasst. Tabernakel und Altar liegen im Angelpunkt dieser Durchdringung. Aus einem Guss mit den Materialien der Konstruktion – Naturstein wie Gollinger Konglomerat, Gussglas und Lärchenholz – treten abbildhafte Hinweise gegenüber der Licht- und Wegeführung im Raum zurück. Liturgische Orte wie Altar und Ambo sind Teil der bauplastischen Topografie.
Die Kirche bietet 280 Sitzplätze, in der Kapelle weitere 40. Dem gedeckten Umgang folgt über die Podeste der Stiegenanlagen gestaffelt ein in Bronzeguss gestalteter Kreuzweg. Das alte Presbyterium wird als Aufbahrungshalle genutzt.

Das Projekt ging 2003 aus einem geladenen Architektenwettbewerb als Sieger hervor und wurde 2005 in nur neun Monaten Bauzeit verwirklicht.
E.B.

Ernst Beneder, geb. 1958 in Waidhofen/Ybbs. Architekturstudium an der TU Wien, Postgraduate Studien am Tokyo Institute of Technology. Fellow der Japan Society for the Promotion of Science. Gastprofessuren an der TU Wien, der University of Illinois und der Ecole d'Architecture de Versailles. 2001 Otto Wagner-Städtebaupreis.

Anja Fischer, Architekturstudium an der RWTH Aachen und der TU Wien, Studium der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Forschungsschwerpunkt: mobile rurale Architektur und Sahara-Nomadismus.

Gemeinsame Realisierungen seit 1996 (Auswahl): Heimatmuseum in Waidhofen/Ybbs (1998), Osterkapelle im Augustiner Chorherrenstift Herzogenburg (1999), Stammhaus Sparkasse Niederösterreich in St. Pölten (2001), Wohnanlage Arnsteingasse in Wien 15 (2001), Otto Wagner Spital in Wien, Umbau Pavillons 3, 5 und 11 (2002).


Weiterführende Links:
beneder.fischer@vienna.at
Projektliste Ernst Beneder in der nextroom architektur datenbank

   
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