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Um 1975 filmte Richard Serra mit "Railroad Turn Bridge" eine um 1908 erbaute, riesige Stahlkonstruktion in Portland, Oregon. Es ist eine drehbare Eisenbahnbrücke, die den wechselweisen Verkehr von Eisenbahn und Schiffen ermöglicht. 1930 baute Angelo Invernizzi in der Nähe von Verona sein Haus "Il Girasole". Beide, Eisenbahnbrücke und "Girasole", haben neben ihren Tragwerken auch Fahrwerke, und beide überschreiten den engen und speziellen Bereich der Statik, jener Disziplin, die sich mit Kräften in unbewegten Systemen beschäftigt und dafür zu sorgen hat, dass sich ihre Systeme in Ruhe befinden oder sie, wie ihre griechische Form, nämlich "Staikos", besagt, "zum Stillstand bringt". Paradox daran ist, dass Statik (Stillstand) – als die im Bereich der Konstruktion dominante Qualität – genau genommen nur ein Spezialfall, ein Teilgebiet der übergeordneten Dynamik und Mechanik ist. Das Haus "Il Girasole" dreht sich, wie sein Name sagt, nach der Sonne. Es dreht sich mit Hilfe von Fahrwerken auf Schienenkreisen und "erkundet" so die umliegende Landschaft. Die L-förmige Geometrie des drehenden Bauteils reißt einen Raum an, der sich in gradueller Drehung mit einer stetig anderen Landschaft immer neu koppelt. Richard Serras Film "Railroad Turnbridge" ist anders gelagert, komplexer, da es sich nicht nur um eine Brücke, sondern um einen Film über eine aus mehreren Teilen bestehende und in Teilen drehbare Brücke handelt. Richard Serra stellt eine Filmkamera in das Fachwerk der langsam rotierenden Drehbrücke. Wie ein Teleskop gleiten Brücke und Kamera über die Landschaft und vervielfachen in diesem Paarlauf die Komplexität des Verhältnisses von Kamera, Brücke, Landschaft, Leinwand und Betrachter. Anders als in "Girasole" entsteht hier keine räumliche Kopplung zwischen Teleskop und umliegender Landschaft; der umliegende Raum rutscht von der Kamera (der Leinwand, der Brücke) ab, bis zu dem Punkt, an dem sich der rotierende Teil der Drehbrücke auf die statisch stehenden Teile der Brücke richtet und sich also selbst ins Visier nimmt. Das funktional notwendige Ausschwenken des Hauptarms der Brücke bedeutet eine graduelle Zerlegung und ebenso eine graduelle Wiederherstellung der Konstruktion, bis sich nach 2 x 90-Grad-Drehung alle Teile der Brücke wieder diskret in ihre Ausgangsformation begeben. "Railroad Turnbridge" und "Girasole" sind in der Arbeit von Wolfgang Tschapeller Referenzpunkte für eine Reihe von Projekten, so z.B.: Bauhaus Europa Aachen, Clockworks oder das Projekt Schattenbrücke für Marburg/Maribor, das in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Werkraum Wien und Waagner-Biro Bridge Systems unter der Leitung von Martin Lechner entstanden ist. Martin Lechner und Wolfgang Tschapeller werden in ihrem Vortrag Tragwerke und Fahrwerke ausgehend von der Schattenbrücke in Maribor diskutieren. M.L.|W.T. Martin Lechner, geb. 1971 in Hall in Tirol. Bauingenieurstudium an der Universität Innsbruck, der TU Wien und der Heriot-Watt-University Edinburgh. Berufseinstieg 2000 bei Waagner-Biro mit Schwerpunkt Entwicklung von Systembrücken. Ab 2005 Verlagerung auf Projekte im beweglichen Stahlbau. Seit 2007 technischer Leiter der Waagner-Biro Bridge Systems. Die von Waagner-Biro ausgeführten Projekte wurden mehrfach mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Wolfgang Tschapeller, geb. in Dölsach, Osttirol. Tischlerlehre und Studium der Architektur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und an der Cornell University, Ithaca, N.Y. Gastprofessuren an der Cornell University, der Kunstuniversität Linz und der State University of New York in Buffalo. 2004/2005 McHale Fellow an der State University of New York in Buffalo, ab 2005 Professor für Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ab 2012 Vorstand des Instituts für Kunst und Architektur. Weiterführende Links: www.waagner-biro.com www.tschapeller.com Projektliste in der nextroom architektur datenbank |
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