MARGIT ULAMA.
TURN ON als Zeitspiegel und die Krise als Umbruch beziehungsweise Neuorientierung: Diese Facetten bilden den Hintergrund des diesjährigen Vortragsprogramms. Zusätzlich stellt sich in der gegenwärtigen Zeit der Unsicherheit verstärkt die Frage nach der Identität von Architekt:innen. Was bedeutet Bauen?
Welche Tätigkeiten kann und soll der Berufsstand heute und in
Zukunft ausführen und wie soll dies passieren? Diese und ähnliche Fragen sind natürlich nicht unbekannt; spannend und neu sind aber die konkreten Antworten darauf.
Was sind also aktuelle Themen und Fragestellungen für das Bauen und den Berufsstand der Architekt:innen? Ein Blick auf das Programm am Samstag zeigt, dass der Umbau, aber auch das Weiterbauen einen Schwerpunkt bilden. Wie divers die thematischen Implikationen dabei sein können, zeigen die einzelnen Vorträge, die von der kreativen Transformation eines klassischen Plattenbaus der DDR bis zu feingliedrigen Neugestaltungen bestehender Bauten mitten im Bregenzerwald in Vorarlberg reichen.
Ein Projekt in Bratislava reflektiert mittels Rekonstruktion und Erweiterung die spezifische architektonische Identität des Ortes in unserem Nachbarland. Das Bauhaus-Archiv in Berlin birgt nicht nur eine Sanierung, in diesem Fall des prominenten Bestands von Walter Gropius, sondern auch einen Neubau in sich. Ein Vortrag im Rahmen von TURN ON STUDIO behandelt schließlich eine spezielle Facette des Umbaus – die Sicherung von Bauteilen und deren Wiederverwendung im Rahmen einer Lehrmethode mit kreativem, offenem Ausgang.
Ein Meister des Umbaus war und ist natürlich der Wiener Architekt Hermann Czech. Doch auch wenn er bereits vor fünf Jahrzehnten die Bedeutung des Umbaus theoretisch formulierte und praktisch in höchster Perfektion zelebrierte, so erhielt der Umbau erst in jüngster Zeit seinen allgemeingültigen Anspruch: Alles muss Umbau sein, lautet ein neuer Lehrsatz, es darf nichts mehr neu gebaut werden. Der Idee des offenen Diskurses folgend wagt TURN ON den Widerspruch und zeigt auch Neubauten, zum Beispiel einen Industriecampus im Sinne eines „Industrial Village” mit höchst unterschiedlichen architektonischen Ideen für die einzelnen Gebäude. Unterschiedlichste Haltungen liegen auch den Wohnbauten zugrunde, mit denen der Samstag wie bisher eröffnet wird. Der Bogen spannt sich vom Wohnhochhaus in Wien über einen städtebaulich überzeugenden Wohnbau im Nordosten der Bundeshauptstadt und einen prominenten neuen Gemeindebau ebenda bis zu zwei Projekten in Innsbruck. Das Konzept, möglichst heterogene Entwurfsansätze im Rahmen von TURN ON am Samstag zu versammeln, wird somit auch heuer weiterverfolgt.
Welche Relevanz kann Beton und können im Speziellen Fertigteile aus Beton heute haben? Dieser durchaus provokativen Frage widmet sich das Programm am Samstag ebenfalls. Am Donnerstag und Freitag wird dieselbe Fragestellung im Rahmen von TURN ON PARTNER aus anderem Blickwinkel reflektiert.
Insgesamt präsentieren und diskutieren die zahlreichen Vorträge dieser Programmschiene essenzielle Themen des aktuellen Bauprozesses in der bewährten Dialogform zwischen Wirtschaft und Architektur.
Als Festvortragende tritt 2025 die Schweizerin Regula Lüscher auf, die Architektin ist und zudem auf eine langjährige Erfahrung als Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin in Berlin zurückblicken kann. Sie stellt die einfach klingende, in Wahrheit aber höchst komplexe Frage: „Wer macht Stadt? Wer macht Architektur?” So wird auch in diesem Zusammenhang die Frage nach der möglichen Identität des Berufsstands der Architekt:innen reflektiert.
Im Rahmen von TURN ON TALK werden gegensätzliche Paradigmen einander gegenübergestellt, nämlich „Stadt und Natur”. Die Idee des befestigten urbanen Platzes, wie wir ihn von den italienischen Altstädten kennen, gerät gegenwärtig aufgrund der klimatischen Anforderungen ins Wanken und muss neu überdacht werden. Welchen Kriterien kann und soll die Gestaltung des öffentlichen Raums unter den neuen Prämissen folgen, und welche Rolle kann die Natur dabei spielen? Anlass für diese Diskussion ist ein heiß diskutiertes Projekt in Wien.